Unser Eindruck Elektroauto vs. Verbrenner

Nach rund 20 Englandreisen mit einem Auto mit Verbrennungsmotor – zuerst mit dem VW New Beetle und dann mit dem Range Rover Evoque – waren wir sehr gespannt auf die Unterschiede mit dem Elektroauto. Und sind begeistert!

Aufladen und Reichweitenangst

Viele Leute haben ganz fest Reichweitenangst und wollen sich deswegen niemals ein Elektroauto kaufen. «Ich kann 1’200 Kilometer mit meinem sparsamen Diesel fahren», hat mir mal jemand auf Twitter geschrieben. Als ich ihn gefragt habe, wie oft er das denn am Stück fahre, hat er nicht mehr geantwortet. Wohl nie. Und genau deswegen ist das Argument auch keines. 430 Kilometer Reichweite, oder wenn wir zu 100% laden 477 Kilometer, reicht für Fahrten in der Schweiz eigentlich immer. Zu Hause eingesteckt ist das Auto am nächsten Morgen wieder voll aufgeladen und bereit für die nächste Fahrt. Reichweitenangst hatten wir deswegen nie.

Für Reisen ist das Tesla-Supercharger-Netz in Westeuropa sehr gut ausgebaut. Es hat immer mal wieder einen Supercharger, an dem man laden kann. Das Beste dabei ist: Das Auto kennt alle Standorte und plant die Routen beim Navigieren entsprechend. So braucht man sich nie zu sorgen, mit leerer Batterie stehenzubleiben. Wir hätten die Reise aber mit keinem anderen Elektroauto machen wollen. Denn während Tesla seine Supercharger gut in Schuss hält und fast immer alle einsatzbereit waren, waren andere öffentliche Ladestationen häufig gerade ausser Betrieb. Das haben wir an mehreren Autobahnraststätten beobachtet. Sie hätten auch nur mit einer Smartphone-App benutzt werden können, die im Schweizer App-Store gar nicht heruntergeladen werden kann, sondern nur von Personen mit Wohnsitz in Grossbritannien. Bei Tesla hingegen gilt: einstecken, laden, ausstecken, wegfahren. Die Ladestation weiss von alleine, dass wir es sind, und bucht den Betrag automatisch von meiner Kreditkarte ab.

Klar: Die Batterie aufzuladen dauert länger als tanken. Das ist wohl der grösste Unterschied zwischen Verbrenner und Elektroauto. Aber nach der Hin- und der Rückfahrt haben wir festgestellt: Wir sind viel entspannter und ausgeruhter als früher! Tempomat auf 160 km/h und ein einziger Tank- und WC-Stopp sparen zwar Reisezeit, aber die ständige Konzentration und das lange Sitzen im Auto strengen sehr an. Mit dem langsameren, aber direkteren Weg und dem dreimaligen Laden waren wir ungefähr 1 bis 1,5 Stunden länger unterwegs. Auf dem Hinweg hatten wir das einkalkuliert und sind früher losgefahren. Auf dem Rückweg waren wir – auch wegen dem Stau vor dem Eurotunnel – dann aber deutlich später zu Hause als sonst. Die Supercharger befinden sich aber häufig an einer Raststätte, bei einem Hotel oder einem Einkaufszentrum. Das gab Gelegenheit, sich die Beine zu vertreten, die Augen zu entspannen, wegen den zusätzlichen WC-Stopp-Möglichkeiten mehr zu trinken… halt eine richtige Unterbrechung des Fahrens.

Kostenersparnis

Unser Evoque hat locker 12 Liter Benzin auf 100 Kilometer verbraucht. Beim aktuellen Benzinpreis von 1.70 CHF pro Liter (ähnlich hoch in Frankreich und England) macht das 20.40 CHF pro 100 Kilometer. Wir sind auf unserer Reise 3’981 Kilometer gefahren und hätten somit Benzin für rund 812 CHF verbraucht. Für das Laden an den Superchargern haben wir insgesamt 332 CHF bezahlt.

Aber nicht nur das: Mit dem Evoque hätten wir auf unserer Reise über 720 Kilogramm CO2 (181 g/km) sowie weitere Schadstoffe ausgestossen. Der Tesla stösst beim Fahren keinerlei CO2 aus. Wir hoffen, dass der Strom in den Superchargern zukünftig mehr und mehr aus umweltfreundlichen Quellen kommt.

Angenehmes Fahren

Auf der Autobahn habe ich öfters mal LucY selbst fahren lassen. Mit dem erweiterten Autopilot hält das Auto selbst die Spur, bremst ab und gibt Gas bis zur Höchstgeschwindigkeit. Das klappt soweit sehr gut und das Auto lernt auch dazu. Ein Problem sind höchstens andere Autofahrende: Drückt sich jemand allzu nahe vor uns in unseren Sicherheitsabstand, bremst LucY auch mal stark. Auch ohne eingeschaltetem Autopilot hilft LucY beim Bremsen, zum Beispiel wenn sich der Verkehr vor uns plötzlich staut. Es warnt auch, wenn eine Kollision droht, zum Beispiel als ein entgegenkommendes Auto allzu knapp vor uns abgebogen ist und plötzlich quer vor uns stand.

Beim Fahren haben wir unterschiedliche Präferenzen. Während ich auf der Überholspur lieber eher links von der Mitte fahre, um mehr Abstand zu den Autos auf der Normalspur zu halten, fährt LucY lieber eher rechts der Mitte. Während ich in Kurven auf der Autobahn eher an der Innenseite fahre, fährt LucY lieber entlang der Aussenseite. Weil ich aber sowieso die Hände am Lenkrad behalte, kann ich da auch mal eingreifen und wieder selbst die Kontrolle übernehmen, und in Baustellen mit vielen verschiedenfarbigen Markierungen auf der Fahrbahn sowieso.

Den grossen Bildschirm haben wir sehr schnell lieben gelernt. Dass die Geschwindigkeit in der Ecke oben links angezeigt wird und nicht direkt vor mir, daran gewöhnt man sich schnell. Entgegen den gängigen Vermutungen muss man während dem Fahren nicht ständig am Bildschirm herumdrücken. Wieso auch? Das Auto macht vieles automatisch, und für alles gibt es Sprachbefehle. Der Bildschirm zeigt ein Satellitenbild des eigenen Standorts und die Strecke beim Navigieren an. Dank der Grösse ist viel besser erkennbar, was weiter vorne bevorsteht. Entsprechend kann man sich auf mehrspurigen Strassen dann schon mal links oder rechts einordnen, um weiter vorne fürs Abbiegen auf der richtigen Spur zu sein. Apropos Spur: LucY zeigt verlässlicher als unsere bisherige TomTom-App, auf welcher man fahren soll. Nur dank dem Satellitenbild auf dem grossen Bildschirm konnten wir im Stau auf der Rückfahrt rasch eine alternative Route finden, die später wieder zur vorgesehenen Strecke zurückführt, und den Stau umfahren.

Elektrisches Fahren ist viel flüssiger, weil das Bremspedal kaum gebraucht wird. Geht man vom Gas, verlangsamt das Auto und gewinnt dabei Energie zurück, das Rekuperieren. Wir haben LucY so eingestellt, dass es dann ganz anhält. Auch an Steigungen hält es danach von selbst die Position. Und beim Losfahren ist die Leistung sofort da, und zwar falls gewünscht die volle Leistung von 534 PS. Gänge schalten wie bei einem Auto mit Handschaltung muss man nicht, es gibt nur einen Vorwärts- und einen Rückwärtsgang, und man muss beim Losfahren nicht darauf warten, dass sich nach dem Tritt aufs Gaspedal eine Sekunde später erst etwas tut wie bei einem Auto mit Automatikgetriebe. Die Reaktion des Autos ist derart unmittelbar, dass man fast vergisst, dass man die Geschwindigkeit mit dem Fuss regelt. Es fühlt sich an, als würde es direkt vom Gehirn gesteuert.

Alles dabei

Wer argumentiert, ein Tesla sei teuer, vergleicht nur die «ab»-Preise anderer Automarken – ob Elektroauto oder Verbrenner. Mit all den zusätzlichen Funktionen, die in jedem Tesla serienmässig enthalten sind, ist man rasch auf demselben Preis oder höher. Erst recht, wenn’s nicht nur der schwächste Motor sein soll.

Bei Tesla gibt es auch regelmässige Updates «over the air», für die lediglich eine Internetverbindung nötig ist. Dabei werden neue Funktionen eingeführt und bestehende Funktionen verbessert.

Wenig Kritik

Auf unserer ersten Ferienreise mit LucY haben wir das Auto ziemlich gut kennengelernt. Und haben nur wenig Kritik:

Autopilot und Tempomat «sehen» dank der Kamera beim Innenrückspiegel. Ist die Frontscheibe verschmutzt und die Kamera-Sicht nicht mehr perfekt, zum Beispiel nach ein paar Hundert Kilometern Autobahnfahrt mit vielen Insekten, schaltet sich der Scheibenwischer ein, um die Kamera-Sicht zu verbessern. Und hört dann nicht mehr auf. Denn das trockene Scheibengewische macht alles nur noch viel schlimmer. Entweder muss man nun Autopilot und Tempomat für den Rest der Fahrt deaktivieren, oder anhalten und die Scheibe von Hand reinigen.

Und trotz den sechs Kameras rund um das Auto herum gelingt es Tesla nicht, die Vorderräder auf dem Bildschirm anzuzeigen. Das wäre hilfreich, um beim Einparkieren Randstein-Berührungen mit dem Vorderrad zu vermeiden. Denn die Felge steht so weit heraus, dass sie bei der geringsten Berührung schrecklich zerkratzt wird. Elon, bitte beides beim nächsten Update korrigieren!

Apropos Elon Musk als CEO von Tesla: Wir sind definitiv keine Fans.

Fazit

Für unsere Bedürfnisse passt der Tesla Model Y perfekt. Zurück zum Verbrenner möchten wir auf keinen Fall.