Montag, 22. September 2025: Von Bellinzona nach Zermatt

Es regnet in Strömen, als wir in Bellinzona starten. Wir improvisieren ein Zmorgen vom Migros, das wir im Auto essen, und fahren danach in Richtung Gotthard. Auf der Autobahn, denn bei diesem Wetter würde sich die Aussicht von der «Grand Tour»-Strecke her nicht lohnen. Es ist eindrücklich und auch ein wenig beängstigend, wie links und rechts an den Berghängen das Wasser hinunter strömt, teils in kleinen oder grossen Wasserfällen, teilweise einfach so.

Der Regen hat schon nachgelassen, als wir Airolo erreichen. Wir wollen weder durch den Tunnel noch über die Gotthard-Strasse fahren, sondern die alte Tremola hinauf. In grossen Teilen ist hier die Granitstein-Pflästerung vorhanden, die von 1937-1941 als dauerhafteren Bodenbelag eingebaut wurde. Hier hat es fast kein Verkehr, nur einige Velos und zwischendurch mal ein Auto. So wird es eine wunderbare Fahrt, auf der es auch aufhört zu regnen. Wir fahren vorsichtig über die nassen Pflastersteine und kommen gut oben auf der Passhöhe an. Hier ragen riesige Windräder aus dem Nebel, und hinter dem Fotospot ist nur eine weisse Wand zu sehen. Okay, der Blick muss hier auch eher in die Tiefe zu den Windungen der Tremola gehen als geradeaus.

Auf der moderneren Strasse nach unten bzw. in Richtung Furkapass kommt schon bald der nächste Fotospot. Er zeigt den Turm von Hospental, der seit dem 13. Jahrhundert über das Tal wacht und vermutlich als Gefängnis genutzt wurde.

Der Fotospot auf dem Furkapass ist übersäht mit verschiedenen Aufklebern. Oh, da hätten wir auch einen mitbringen sollen! Mich interessiert aber ein bestimmter Ort auf dem Weg nach unten viel mehr: das Gletscher Hotel Belvédère. Es ist zum beliebten Ort für Petrolheads geworden, um hier ein Foto ihres Fahrzeugs zu schiessen. Wieso? Das weiss ich auch nicht genau. Es ist wohl eine Mischung aus der historischen Bedeutung des Hotels, das auch im James-Bond-Film «Goldfinger» zu sehen ist und seit 2015 geschlossen ist, seiner Lage in der Haarnadelkurve und der beeindruckenden Berglandschaft im Hintergrund. Oder einfach, weil jemand damit angefangen hat und alle andern deshalb auch ein solches Foto haben (und zeigen!) wollten. Jedenfalls freue ich mich sehr, heute auch hier zu sein. Und der Zeitpunkt ist günstig, mit wenig Autos auf dem Parkplatz und der Strasse und der Sonne, die durch die Wolken drückt. So zeigt sich LucY bald von all seinen Schoggiseiten.

Mit dem Überqueren des Furkapasses haben wir das Wallis erreicht. Wir fahren das Tal hinunter und halten beim nächsten Fotostop, einem Walliser Stadel in Goms. Es stammt aus dem frühen 17. Jahrhundert. Interessant sind hier die Stelzen mit den runden Steinplatten, die zwischen dem Unterbau und dem eigentlichen Speicher einen Hohlraum bilden und das Eindringen von Mäusen und Ungeziefer verunmöglichen.

Gabi hat Gluscht auf einen Burger von McDonald’s. Und so landen wir bald für ein spätes Mittagessen in der Filiale in Brig. Gabi bestellt einen Crispy Chicken Burger mit Honig, während Chrige und ich einen Big Mac essen. Und wir füttern auch LucY bei einem kurzen Ladestop am Schnelllader.

Dann fahren wir noch schnell beim Fotospot Stockalperschloss vorbei. Die drei Türme mit Zwiebelhauben sind nach den drei Königen benannt – Kaspar, Melchior und Balthasar. Das grosse Gebäude aus dem 17. Jahrhundert wurde von einem reichen Unternehmer erbaut und ist ein wichtiges Wahrzeichen des Kantons Wallis.

Dann wollen wir aber schnell weiter nach Zermatt. Wir kommen mit gemischten Gefühlen in Täsch an: Ab hier ist die Weiterfahrt mit dem Auto verboten, Zermatt ist autofrei. Wir müssen LucY im grossen Parkhaus zurücklassen und mit dem Zug weiterfahren. Zug fahren wir in der Schweiz nur ungern, und unser Erlebnis hier erinnert uns ganz fest daran, wieso das so ist: Obwohl er das per Gesetz seit dem 1. Januar 2024 sein müsste, ist der öffentliche Verkehr in der Schweiz nicht auf Menschen im Rollstuhl ausgelegt, und in Zermatt werden sie fast komplett ignoriert. Das bekommen wir auch nach der Ankunft zu spüren. Autofrei ist eine glatte Lüge. Hier herrscht ein reger Verkehr. Hunderte Autos kurven um die Touristinnen und Touristen herum, nur sind es nicht Audis, BMWs, Volvos und mehr, sondern schmale Elektrofahrzeuge, die scheinbar alle vom selben Hersteller stammen. Handwerker, Lieferanten, Dienstleister, Taxis: Alle fahren sie. Doch keines (Korrektur am zweiten Tag: eines) davon kann von Menschen im Rollstuhl benutzt werden. Während Chrige mit dem Gepäck am Bahnhof abgeholt wird, müssen Gabi und ich zu Fuss zum Hotel gelangen. Unsere Suite im Hotel Zermama, die wir uns zu dritt teilen, ist grossartig. Wir erkunden noch ein bisschen das Dorf, das von Kommerz und Massentourismus geprägt ist, und trinken eine heisse Ovo, bevor wir ins Hotel zurückkehren.

Wir haben ein Käsefondue auf dem Hotelbalkon gebucht. Eigentlich könnten wir von hier aus das Matterhorn sehen. Aber das Wetter will dabei nicht so richtig mitspielen. Schade. Das Fondue ist sehr fein und kommt mit Cornichons, Silberzwiebeln und Rüebli-Stücken in Essig. Das Letztere ist speziell – zumindest für uns – aber gut. Nach dem Essen nehme ich ein Bad und kann mich nicht erinnern, wann ich das zum letzten Mal gemacht habe… wohl als Kind in den Ferien. Das erklärt auch, wieso mir die Badewanne viel kleiner vorkommt als damals, als ich noch vom einen zum andern Ende tauchen konnte.